Homburger Erklärung
12.11.2019
Resolution der Mitgliederversammlung in Homburg (Saar), 27. Oktober 2019
Homburger Erklärung
Erinnern und Kennenlernen
Wir brauchen einen Ort in Berlin für Gedenken, deutsch-polnische Geschichte(n) und Begegnungen
80 Jahre nach dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Republik Polen erinnern wir uns mit Schrecken an die Untaten unserer Vorfahren und an das Entsetzen und das Leid, das sie über die überfallenen Länder brachten. Wir gedenken der Opfer unter den Polen und der anderen Länder, wir gedenken der Juden unter den Opfern, die in ganz Europa und in Nordafrika von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.
Angesichts der von Deutschen, Österreichern und manch willigen Helfern in nationalsozialistischer Zeit verübten Verbrechen haben viele Bürger der damaligen DDR und der Bundesrepublik sich seit Jahrzehnten für eine Verständigung zwischen Deutschland und Polen engagiert. Sie hegten die Hoffnung, dass die von dem Episkopat Polens bereits 1965 ausgesprochenen Worte “Wir vergeben und bitten um Vergebung” einen Weg zur Versöhnung eröffnen könnten.
Dem zivilgesellschaftlichen Engagement folgte die Politik. Der Warschauer Vertrag von 1970 bildete den Beginn einer Annäherung und Verständigung auf den Ebenen von Zivilgesellschaft und Politik. Weitere Meilensteine des Weges sind der Nachbarschaftsvertrag, die Gründung des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, der Beitritt Polens zu NATO und Europäischer Union, das gemeinsame Geschichtsbuch “Europa. Unsere Geschichte” und viele weitere Projekte.
Diesen Weg hätten wir nicht gehen können, wenn unsere polnischen Nachbarn nicht hartnäckig und friedlich für Freiheit und Frieden gestritten hätten, im Kampf der Gewerkschaft Solidarność und am Runden Tisch bis zu den ersten (fast) freien Wahlen im damaligen kommunistischen Machtbereich. Das polnische Engagement hat auch die Bürger der DDR ermutigt und einen wesentlichen Beitrag zum Fall der Mauer vor nunmehr 30 Jahren geleistet. Die gemeinsame Erfahrung der friedlichen Revolution in Europa ist für die deutsch-polnischen Beziehungen heute von zentraler Bedeutung.
Als ein Zeichen für die fortgeschrittene Entwicklung der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen erkennen wir auch, dass der deutsche Bundespräsident, die Bundeskanzlerin und der Bundesminister des Auswärtigen an Gedenkfeiern in Polen im Jahre 2019 teilnehmen und über geschichtliche deutsche Schuld und heutige Gemeinsamkeiten sprechen konnten. Allen Mitgliedern der Deutsch-Polnischen Gesellschaften ist bewusst, dass erst eine zwischen Deutschen und Polen gemeinsame Betrachtung und Bewertung der Beziehungsgeschichte die Grundlage für Vertrauen und Kooperation in der Gegenwart schaffen kann.
Wir wollen auch in Zukunft an der Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen mitarbeiten und uns dafür engagieren, dass das Interesse an Polen und Kenntnisse über seine Kultur und Geschichte in Deutschland stetig wachsen. Die uns mit Polen verbindende Geschichte hat zweifellos ihre schlimmste Zeit in den Jahren zwischen 1939 und 1945. Doch wollen wir auch an die weiteren 1000 Jahre gemeinsamer Geschichte erinnern. Wir sind der Überzeugung, dass wir für eine Vertiefung und Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen Deutschen und Polen das Wissen umeinander vertiefen müssen. Nicht nur, um Verkürzungen und Verzerrungen entgegenzuwirken, sondern vor allem auch, um einen reichen Schatz von Begegnungen, gemeinsamen Erfahrungen und kulturellen Entwicklungen ins Bewusstsein zu rufen und miteinander zu teilen.
In dem Vorschlag eines „Polen-Denkmals“ in Berlin erkennen wir den aufrichtigen Wunsch nach einer Geste, der Wahrnehmung des Leides in Polen unter deutscher Besatzung Ausdruck zu verleihen, ihm Gedenken und den Opfern Ehrung zuteilwerden zu lassen.
Den Vorschlag, der Opfer Polens zu gedenken, unterstützen wir uneingeschränkt. Ein nach innen wahrhaftiges und nach außen glaubwürdiges Gedenken setzt jedoch Aufklärung über das Geschehene voraus. Daher steht im Vordergrund die Einrichtung eines Lernortes, der sich in der Bundeshauptstadt Berlin insbesondere auch den Verbrechen an und in Polen während Krieg und Okkupation widmet und der sich auch mit den weniger bekannten Aspekten dieser Zeit beschäftigt.
In der heutigen Diskussion, wie wir als Deutsche der Erinnerung, Aufklärung und vor allem auch der Verständigung und dem Abbau von Vorurteilen dienen können, fordern wir die Regierungen von Bund und Ländern auf, gemeinsam mit Akteuren der Zivilgesellschaft einen Ort des Gedenkens und des Lernens, der Erinnerung, der Begegnung und Auseinandersetzung in Berlin zu schaffen, der Deutsche und Polen zusammenbringt und damit zur Vertiefung unserer Beziehungen und Freundschaft beiträgt. Ein Denkmal als Erinnerungsort ist sinnvoll aber nicht ausreichend, wir fordern ein Museum für deutsch-polnische Geschichte(n) als Ort des Lernens, der Erinnerung und des Gedenkens.
Vorstand und Mitgliederversammlung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband e.V.
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