Neuer DIALOG erschienen
14.02.2020
Editorial
„Das gelobte Land“ ist ein filmisches Meisterwerk von Andrzej Wajda. 1974 drehte Wajda den Film über die aufstrebende Industriestadt Lodz und schaffte einen neuen Mythos. Bis heute beeindruckt die Schauspielkunst von Daniel Olbrychski, Wojciech Pszoniak und Andrzej Seweryn, die in dem Film drei junge Männer darstellen – einen Polen, einen Deutschen und einen Juden – die beschließen, gemeinsam eine Fabrik zu bauen. Wajdas Film zeigt die Widersprüche des polnischen Manchesters, Ende des 19. Jahrhunderts noch am westlichen Rand des russischen Imperiums gelegen. Eine junge Metropole des Fortschritts, des neuen Reichtums und der Ausbeutung, des schnellen Aufstiegs und des Niedergangs, der Zusammenarbeit und Konkurrenz. Besonders faszinierend war für das Publikum in den 1970er Jahren die in dem Film auferstandene Multikulturalität von Lodz, die durch die NS-Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Als Reaktion auf die deutschen Verbrechen hatten wiederum die Kommunisten Deutsche aus Lodz vertrieben. Die Metropole der vier Kulturen war untergegangen. Wajda schuf seinen Film auf der Grundlage eines Romans des Literatur-Nobelpreisträgers Władysław Reymont. Professor Hans-Jürgen Bömelburg erinnert im neuesten DIALOG daran, dass Reymonts Roman ein negatives Bild von Lodz entwarf. Für Reymont war Lodz eine „böse Stadt“, ein polnisches Babylon, ein Symbol für eine aus der Bahn geratene Moderne, in der traditionelle Werte zurücktreten. Bömelburg weist darauf hin, dass Wajda die Aussage des Romans veränderte. In seinem filmischen Werk steht die Energie und Lebenskraft der aufstrebenden Industriemetropole im Mittelpunkt. Wajda setzt ihrem multikulturellen Kosmos ein Denkmal. Mit dem neuen DIALOG wollen wir uns nicht nur dem Mythos Lodz nähern, sondern vor allem das heutige Lodz porträtieren: eine Stadt, die dramatische Jahre der Krise des Realsozialismus und des schwierigen Aufbruchs in die Marktwirtschaft hinter sich hat und heute als eine Metropole des Aufbruchs wahrgenommen wird. Lodz weckt wieder die Neugier vieler Polen. Die Erinnerung an das kulturelle Erbe von Polen, Deutschen, Juden und Russen nährt die Sehnsucht nach einem harmonischen Zusammenleben von europäischen Kulturen. Einen besonderen Platz in der Kultur Europas nimmt Lodz heute dank des 1931 entstandenen Kunstmuseums, einer der ersten öffentlichen Sammlungen der europäischen Avantgarde, und der legendären Filmhochschule ein. Ein wichtiges Element des deutsch-polnischen Erbes der Stadt ist das Werk der in Lodz geborenen deutschen Übersetzer polnischer Literatur, allen voran von Karl Dedecius. Sein Werk schuf nach dem Krieg die Grundlage für die neue kulturelle Annäherung zwischen Deutschen und Polen.
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